Strecke, Strecke, Strecke..

Runter wischen

Bevor es nun also am Sonntag, 28.4.19 über die Biscaya gehen soll, haben wir uns am Samstag für ein typisch spanisches Abschiedsessen entschieden:



Um 8:30 hieß es dann auf dem spanischen Festland Leinen los, obwohl die Voraussetzungen für den Sonntag noch nicht so günstig waren: Wind mit 4-5bft aus NO und Wellen mit 3m aus NW, was bedeutete hoch am Wind segeln zu müssen und das gegen die Welle. Dies war zu Beginn wieder eine unangenehme Erfahrung, da Crew und Schiff aufs Äußerste gefordert wurden. Nahm die Tiger Blue mit 5-6kn Fahrt auf, so war jede dritte Welle ihr Verhängnis, wo sie frontal in die Welle einschlug und auf 2-3kn abgebremst wurde und ein entsprechender Wellenberg ergoß sich über das ganze Schiff. Das Verkehrstrennungsgebiet um das Cap Finisterre hatten wir hinter uns gebracht, aber da die großen Pötte alle gebündelt durch diese Enge mussten, war danach eine Perlenkette von Frachtern und Containern unterwegs, die wir nicht kreuzen wollten. So fuhren wir ein Wende, was uns wieder Richtung Festland führte, um Abstand von den Pötten zu bekommen. Die Wettervorhersage, daß sich der Wind am späten Abend auf NW dreht, hat sich bewahrheitet. 



Wir empfanden es als angenehm parallel mit den großen Pötten in ca. 5-10sm Abstand Richtung NO zu fahren, da man sich gegenseitig gut ihm Auge hatte. Außerdem hatten wir so keinen Gegenverkehr und es waren in diesem Bereich auch keine Fischer unterwegs. Die Welle blieb weiterhin unangenehm von der Seite, aber bremste uns nicht mehr so ab. So ging es durch die erste Nacht. Die extreme Schräglage von 20° ließ jede Tätigkeit zu einem Kraftakt werden, so dauerte z.B. ein Gang zur Toilette mindestens die doppelte Zeit. Bei den Nachtwachen haben wir uns abwechselnd arrangiert, jedoch blieben wir beide unter Deck und steckten nur zur Rundumsicht alle 30 min den Kopf in den Wind. Trotz des guten Windes erreichten wir ein Etmal (zurückgelegte Strecke in sm in 24h) von nur 102sm! 

Am nächsten Morgen waren wir sehr erleichtert, daß der Wind noch mehr auf W-NW drehte und die Welle beträchtlich abgenommen hatte. Wir dösten zum Mittagsschlaf in der Koje, als durch unserer geöffnete Luke plötzlich ein Gast in unser Salon flog:



Kurzerhand nach Gesundheitscheck und der Diagnose Erschöpfung auf das Deck befördert, mit Wasser versorgt, waren es schon zwei!!



Hatten uns schon überlegt, wie groß so ein Taubenschlag sein kann, und ob unsere Wasservorräte reichen, da unsere Gäste sehr durstig waren. Die Beiden blieben die ganze Nacht in unserem Cockpit sitzen und störten sich überghaupt nicht daran, daß wir sie beim Rundumblick immer zur Seite schupsen mussten. Erst am nächsten Morgen um 9Uhr verabschiedeten sie sich mit einer Ladung Guano von der Tiger Blue. Das soll ja Glück bringen. Wir hoffen sie haben ihr Ziel mittlerweile auch erreicht. Sie waren beide beringt.

Ein mögliches Etappenziel nach der Biscaya hätte natürlich Brest sein können, aber da uns nach unseren beiden weiteren Etmalen von 123sm und 143sm Wind und Welle gesonnen war, und wir uns fit fühlten, haben wir die Kanalinsel Guernsey angesteuert. Wir waren hin und hergerissen, ob wir Guernsey noch mitnehmen sollten. Wir hatten so schöne Erinnerungen an Jersey und auch diese Insel wäre es bestimmt wert gewesen und wir hätten sehr günstig unsere Dieseltanks befüllen können. Aber wir waren so im Flow, daß wir sowohl Guernsey als auch Alderney steuerbord liegen ließen, und uns ein neues Ziel gesteckt haben: Chebourg. Aber wir haben die Rechnung ohne die Gezeitenströmung gemacht!! Auf der Höhe von Alderney setzte der Strom gegen uns ein, was hier in der Enge des Englischen Kanals heftige Auswirkungen hat. Zudem war Strom gegen Wind und Welle, was eine sehr kabbelige See verursacht und wir selbst mit Motorunterstützung gerade mal 2kn Fahrt über Grund machen konnten. Um das Ganze etwas abzuschwächen steuerten wir Richtung England. Das Schauspiel dauerte noch ca. 4 Stunden, bis die Strömung nach dem Cap de la Hague wieder zu unseren Gunsten war.



Als wir jetzt wieder richtig Fahrt aufgenommen haben und wir mit 7-9kn Geschwindigkeit durch das Wasser pflügten, legten wir unser neues Ziel Dieppe oder Boulogne-sur-Mer fest. Jedoch nach zwei Stunden Rauschefahrt steuerte ein großes Schnellboot (ohne AIS) auf uns zu, was uns schon nichts Gutes ahnen ließ. So kam auch schon der Funkspruch: „Tiger Blue, Tiger Blue this is French Custom! Please reduce your speed!“ Wir mussten unsere Geschwindigkeit reduzieren und sie wollten zu uns aufs Schiff kommen. Und das bei Strömung mit, wo wir gerade so schön schnell waren… Wir haben uns trotzdem zum Anhalten entschieden 😉 Mit dem ins Wasser gebrachte Beiboot kamen 3 Zollbeamtinnen/-beamte auf die Tiger Blue und wollten neben Bootspapieren, Ausweisen, auch Herkunft und Ziel unserer Reise wissen. Nach kurze Inspektion unseres Schiffs waren sie zufrieden und haben uns ein Dokument übergeben, was uns bei weiteren Kontrollen eine zusätzliche Inspektion ersparen würde. Anscheinend sind diese Kontrollen hier im Englischen Kanal sowohl vom französischen als auch vom englischen Zoll gar nicht so selten. 



Am 3.5.19 haben wir gegen 6 Uhr den nördlichen Breitengrad von 0° überquert, so daß wir ab sofort unsere Koordinaten wieder in östlicher Länge dokumentieren werden!

Laut Wettervorhersage sollte es Samstag und Sontag Wind aus Ost geben, was uns nun endgültig dazu bewogen hatte Dieppe anzulaufen. An der schönen Alabasterküste der Normandie sind wir bis Dieppe leider unter Flaute motort und haben dort nach 5 Tagen und  4,5 Stunden und 648sm um genau 13 Uhr festgemacht. Der Hafen und die direkt angrenzende Altstadt war uns von unserer Hinfahrt noch so in guter Erinnerung, daß wir uns richtig darauf gefreut haben.



Der Kapitän wollte nach Ankunft die Tiger Blue zuerst einem Schiffs-Check unterziehen. Wir hatten gerade bei heftiger Welle und überspültem Deck immer wieder Salzwasser auf unseren Bodenbrettern in der Kajüte. Das sollte genauer untersucht werden und der Verdacht des oft unter Wasser stehenden Ankerkastens lag nahe. Aber das Eindringen des Wassers war einigen Elektrokabeln geschuldet, die aus dem  Ankerkasten in das Vorschliff laufen. Nach dem Verlegen in einer Schlaufe und provisorischem Abdichten sollte das Problem fürs Erste behoben sein. Danach ging es aber direkt an die nette Promenade, um unsere Reserven wieder aufzufüllen:



Am Samstag war Wochenmarkt in Dieppe, und nach unserer 5-Tages Überfahrt waren wir von dem unglaublichen Angebot der französischen Händler völlig geflasht. Wir haben so viel Gutes zu Essen eingekauft und haben wie Gott in Frankreich gegessen!! Und wieder dreht sich alles nur ums Essen……



P.S.: besten Dank an unsere treuen Verfolger unserer Langstrecken und an das Azoren-Karibik-Kontrollzentrum mit  Überlassung der Track Bilder!! So fühlten wir uns nie wirklich einsam, auch wenns nur Wasser um uns herum gab.

2 Kommentar

  1. Das Karibik Kontrollzentrum begleitet euch weiterhin 👍
    Schöne Zeit in Frankreich! Liebe Grüsse von der SY LUPINA und seiner Crew

  2. Wir sind schon sehr gespannt auf eure Rückkehr. Wann wird es wohl so weit sein? Wünschen euch eine gute und sichere Heimfahrt in heimische Gewässer. Bis hoffentlich bald!!

Schreibe einen Kommentar zu Köbi Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert